Die qualitative Forschung ist ein empirisches Verfahren zur systematischen Erhebung, Auswertung und Interpretation nicht-numerischer Daten. Ziel ist es, menschliches Verhalten, Einstellungen, Motive, Bedürfnisse und Wahrnehmungen tiefgehend zu verstehen. Sie liefert verstehensorientierte Erkenntnisse, die helfen, Hintergründe und Zusammenhänge aufzudecken – insbesondere in frühen Phasen von Innovations-, Strategie- oder Marketingprozessen.
Im Unterschied zur quantitativen Forschung, die auf messbare, standardisierte Daten abzielt, beschäftigt sich die qualitative Forschung mit dem „Warum?“ und „Wie?“ hinter Entscheidungen und Meinungen – nicht mit dem „Wie viel?“.
Unternehmen setzen qualitative Forschung ein, wenn sie:
Kundenbedürfnisse oder Nutzerverhalten tiefer verstehen wollen
Innovationen entwickeln oder Ideen bewerten möchten
Markenbilder, Emotionen oder Wahrnehmungen untersuchen wollen
Kundenreisen und Touchpoints analysieren wollen
Kommunikations- oder Werbewirkung explorieren
Hypothesen für quantitative Studien vorbereiten wollen
Qualitative Forschung eignet sich besonders in frühen Projektphasen oder bei komplexen, emotionalen oder erklärungsbedürftigen Produkten und Dienstleistungen.
Einzelgespräche, meist semistrukturiert, um persönliche Motive, Einstellungen oder Erfahrungen zu ergründen.
→ z. B. bei Produktentwicklungen oder Kundenverlustanalysen.
6–10 Teilnehmer diskutieren moderiert über ein Thema. Ideal zur Ideensammlung oder um Gruppenmeinungen sichtbar zu machen.
→ z. B. zur Bewertung von Verpackungsdesigns oder Claims.
Nicht-teilnehmende oder teilnehmende Beobachtung realen Verhaltens – z. B. in Geschäften, bei der Produktnutzung oder in digitalen Anwendungen.
→ z. B. zur Analyse der Customer Journey oder von Bedienproblemen.
Personen dokumentieren ihr Verhalten oder Erleben über einen längeren Zeitraum.
→ z. B. in UX-Forschung oder bei Dienstleistungsprozessen.
Nutzung von Social Listening oder qualitativen Panels, um Meinungen und Trends in digitalen Kanälen zu erfassen.
→ z. B. für Markenmonitoring oder Produktfeedback.
Offen und explorativ: Neue Aspekte dürfen entstehen
Flexibel: Erhebungsinstrumente werden im Verlauf angepasst
Tiefgründig: Ziel ist nicht Repräsentativität, sondern Verstehen
Kontextbezogen: Ergebnisse sind stark situations- und zielgruppenabhängig
Interpretativ: Auswertung erfolgt meist durch qualitative Inhaltsanalyse, z. B. nach Mayring oder Grounded Theory
Vorteile:
Tieferes Verständnis für Motive, Barrieren, Emotionen
Ideal für neue Ideen, Hypothesenbildung, Prototypentests
Kundenzentrierte Sichtweise wird geschärft
Flexible Umsetzung und kleine Stichproben ausreichend
Nachteile:
Nicht verallgemeinerbar (keine Repräsentativität)
Höherer Interpretationsspielraum
Aufwendige Auswertung
Forscher muss methodisch geschult sein
Ein Unternehmen entwickelt eine neue App zur Zeiterfassung für Handwerker. Vor dem Launch werden fünf Fokusgruppen mit Zielgruppenvertretern durchgeführt. Dabei zeigen sich Probleme bei der Menüführung und Vorbehalte gegenüber Cloudlösungen. Die Erkenntnisse fließen in eine verbesserte Version ein – und verhindern kostspielige Fehlentwicklungen.
Kriterium | Qualitativ | Quantitativ |
---|---|---|
Ziel | Verstehen, Erkunden | Messen, Prüfen |
Stichprobengröße | Klein (5–30 Personen) | Groß (100–1.000+) |
Datenart | Texte, Aussagen, Beobachtungen | Zahlen, Skalen, Auswahlantworten |
Ergebnis | Tiefe Einblicke, Hypothesen | Repräsentative Aussagen |
Auswertung | Interpretativ, induktiv | Statistisch, deduktiv |
Die qualitative Forschung ist ein wirkungsvolles Instrument, um Kundenbedürfnisse, Kaufmotive und Nutzungserfahrungen tiefgreifend zu verstehen – gerade dort, wo Zahlen allein nicht ausreichen. Sie liefert wertvolle Impulse für Innovation, Strategie und Marketing, wenn sie systematisch und professionell eingesetzt wird. In Kombination mit quantitativen Verfahren ermöglicht sie ganzheitlich fundierte Geschäftsentscheidungen.