Kundeninterviews sind eine qualitative Forschungsmethode, bei der Unternehmen durch gezielte Gespräche mit bestehenden oder potenziellen Kunden wertvolle Einblicke in deren Bedürfnisse, Motive, Erfahrungen und Erwartungen gewinnen. Sie zählen zu den effektivsten Instrumenten, um die Kundensicht direkt und ungefiltert zu erfassen – und sind damit ein wichtiger Bestandteil im Rahmen von Marktforschung, Produktentwicklung, Vertrieb und Customer Experience Management.
Im Unterschied zu standardisierten Umfragen ermöglichen Kundeninterviews ein tieferes, individuelles Verständnis, das gerade für strategische Entscheidungen und kundenorientierte Optimierungen entscheidend ist.
Ein Kundeninterview ist ein strukturiertes oder semi-strukturiertes Gespräch, das systematisch geführt wird, um kundenzentrierte Informationen zu sammeln. Es kann persönlich, telefonisch oder digital (z. B. via Zoom) durchgeführt werden. Ziel ist es, subjektive Wahrnehmungen, Entscheidungsprozesse, Kritikpunkte, Wünsche und Meinungen zu bestimmten Produkten, Dienstleistungen oder Prozessen zu erfassen.
Kundeninterviews werden in verschiedenen Unternehmensbereichen eingesetzt:
Produktentwicklung
Verstehen, welche Funktionen, Designs oder Lösungen Kunden wirklich brauchen.
Marketing
Erfassen von Sprachgebrauch, Wünschen und Werten der Zielgruppe zur besseren Ansprache.
Vertrieb
Analyse von Entscheidungsprozessen, Kaufmotiven und Einwänden im Sales Funnel.
Customer Experience & Support
Aufdecken von Schwachstellen im Service oder der Nutzerführung.
Innovation & Geschäftsmodellentwicklung
Identifikation unausgesprochener oder latenter Bedürfnisse.
Ein typisches Kundeninterview folgt einem klaren Ablauf:
Zieldefinition
Was will das Unternehmen herausfinden? (z. B. Kaufmotive, Produktkritik, Nutzungsszenarien)
Zielgruppenauswahl
Wer wird interviewt? (z. B. bestehende Kunden, potenzielle Käufer, verlorene Interessenten)
Leitfaden-Erstellung
Erstellung eines strukturierten Fragenkatalogs mit offenen Fragen. Typisch sind:
„Was war ausschlaggebend für Ihre Kaufentscheidung?“
„Welche Herausforderungen wollten Sie mit unserem Produkt lösen?“
„Was hat Sie positiv/negativ überrascht?“
Durchführung
Das Gespräch wird in einer offenen, nicht suggestiven Weise geführt. Wichtig ist ein empathischer, aber neutraler Interviewstil.
Dokumentation & Analyse
Antworten werden (ggf. aufgezeichnet) protokolliert, kategorisiert und inhaltlich ausgewertet.
Ableitung von Maßnahmen
Erkenntnisse werden in konkrete Handlungen übersetzt (z. B. Produktanpassungen, Websiteoptimierungen, Messaging).
Tiefe Einblicke: Verstehen des „Warum“ hinter Kundenverhalten.
Kundenzentrierung: Entscheidungen basieren auf echten Erfahrungen, nicht auf Annahmen.
Früherkennung: Latente Bedürfnisse, Schwächen oder neue Chancen werden frühzeitig sichtbar.
Vertrauensaufbau: Kunden fühlen sich ernst genommen – das stärkt Bindung und Loyalität.
Flexibilität: Interviews können angepasst und vertieft werden, wenn sich neue Themen ergeben.
Zeit- und Ressourcenaufwand: Vorbereitung, Durchführung und Auswertung sind aufwendig.
Begrenzte Skalierbarkeit: Kundeninterviews sind qualitativ, nicht quantitativ – sie ersetzen keine statistischen Erhebungen.
Subjektivität: Interpretation der Aussagen erfordert Erfahrung und methodisches Vorgehen.
Rekrutierung: Es kann schwierig sein, passende Interviewpartner zu gewinnen (z. B. Entscheider, verlorene Kunden).
Tipp: Incentivierung, klare Kommunikation und geringe Einstiegshürden erhöhen die Bereitschaft zur Teilnahme.
Kombiniere Kundeninterviews mit anderen Methoden (z. B. Umfragen, Heatmaps, CRM-Daten).
Führe Interviews regelmäßig durch – nicht nur einmalig.
Trenne Fakten von Meinungen und dokumentiere sauber.
Nutze Tools zur Transkription und Auswertung (z. B. Otter.ai, Dovetail, Excel).
Kundeninterviews sind ein mächtiges Werkzeug zur kundenzentrierten Unternehmensführung. Sie liefern qualitative Insights, die Zahlen allein nicht bieten können – und sind damit unverzichtbar für Produktentwicklung, Marketingstrategie und langfristige Kundenzufriedenheit. Wer seinen Kunden wirklich zuhört, erkennt nicht nur ihre Wünsche, sondern auch Marktchancen und Innovationspotenziale.